Formel & Gegengift

Stella Jermann, Tom König, Tara Olsen, Alissa Ritter

05.04.–04.05.2025
Eröffnung: 04.04.2025 18 Uhr
Elisa Mosch (Text), George Popov (Gestaltung), Timo Schmidt (Ausstellung)
Do + Fr 16-19 Uhr (Karfreitag, 1.Mai nicht geöffnet)
Request Preview available  > mail@lafelce.de

Formel & Gegengift. Es geht um Formeln, um Perspektiven auf diese und um Gegengift. Gegengift als Hindernis zur Formel oder zum Entgiften. Nachdem im Jahr 2024 die Malerei besonders präsent war, startet die erste Ausstellung mit drei Bildhauerinnen und einer Malerposition. Die Arbeiten bringen mit verschiedenen Materialien und Dimension unterschiedliche Sichtweisen und Erfahrungen zu „Formel und Gegengift“ in die Ausstellung. Im Allgemeinen ist die Ausstellung doch wieder in die Nähe oder mitten dem Thema Liebe gelandet. So war schnell klar, dass Elisa Mosch nach der Eddi Kola, Grenoble Ausstellung, bei der es um Sehnsucht ging, auch einen Text über diese Ausstellung schreibt – über die Ausstellung, die Liebe, die Arbeiten der Künstler:innen und über Gegengift. 

Exhibition Trailer
Poseidons Töchter von Tara Olsen 20.03.-02.04./24h. Mit Blick auf das Medium der Ausstellung und einem Ausprobieren von Möglichkeiten hinsichtlich Hinführung und Einleitung hin zur Ausstellung, war im Vorfeld die Arbeit Poseidons Töchter zu sehen. Für das Format verwenden wir zur Zeit den Begriff Exhibition Trailer. Bei der Ausstellung von Manuel Boden (Juni 2022) gab es zum ersten Mal dieses Format. 

Info Künstler:innen: Alissa Ritter    Tara Olsen
Stella Jermann     Tom König
George Popov (Gestaltung)    Elisa Mosch (Text)
Titel der Ausstellung ist aus: needs character to fail Thomas Zika (2020), Ed.15 

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Exhibition Poster: George Popov

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Exh.View: Mareike Tocha

                  Elisa Mosch (Text)
Liebe ist Handlung.“1, schreibt Bell Books. Sie existiert nicht in der Sehnsucht, nicht in der Theorie, sondern im Tun – im Blick, in der Geste, in dem, was man gibt und hält. Liebe verlangt Offenheit, Berührung, die Bereitschaft, nicht nur gesehen zu werden, sondern sich wirklich zu zeigen. Liebe ist die Formel. Sie ist das, was alles durchdringt. Nicht als Geheimnis, nicht als geschlossenes System, sondern als etwas, das sich bewegt – eine Strömung, die sich ständig wandelt. (1 Bell Hooks, All About Love: New Visions, Harper Perennial, 2000, S. 4.)

In der Ausstellung „Formel & Gegengift“ im La Felce werden Arbeiten von Stella Jermann, Tom König, Tara Olsen und Alissa Ritter gezeigt. Einige der Werke durchzieht Wasser – als Medium für das Unbewusste, als Element, das in der Mystik für die Gefühlswelt steht.

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Exh.View: Mareike Tocha

Stella Jermanns Arbeit When does the simulation filter ‘real life‘? sind Wannen, gefüllt mit Wasser, die schweigend beieinander stehen, wie ein ruhiges Reservoir für all das, was zwischen Nähe, Distanz, Beziehung und Autonomie oszilliert. Sie drücken eine fragile Balance zwischen Berührung und Abwesenheit aus, in der sich das Außen im Innen sowie im Dualismus spiegelt. Die beiden Wannen sind einander in einem Dialog zugewandt, zwei autarke Körper, in ihrer Form identisch, die miteinander interagieren, ohne sich in ihren eigenen Grenzen aufzulösen. Mitunter scheinen sie autonom zu agieren, doch bisweilen auch darauf zu warten betreten und genutzt zu werden. Etwas, das keiner Sprache bedarf, sondern nur ein miteinander Sein im intimen Moment ausdrücken kann.

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Stella Jermann

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Exh.View: Mareike Tocha

Tara Olsens Arbeit Station 3 verbindet Stein, der anmutet wie helles, frisches, festgehaltenes Wasser – wie eine archaische Vergangenheit und eine absolute Gegenwart, die zusammen in einem Moment der Zukunft gedenken. Kugeln ruhen auf den Steinobjekten, als wären sie aus der Tiefe emporgetrieben, aus einer Welt, in der alles fließt und nichts festgeschrieben ist. Sie wirken wie Überreste einer anderen Zeit, wie Fragmente, aber auch wie die Essenz, der Kern, die Magie eines Mythos, der sich seiner eigenen Erzählung entzieht. Bei näherem Hinsehen zeigt sich, dass sie nicht perfekt sind – keine industriell gefertigten Kugeln, sondern Spuren einer Berührung, von menschlicher Formung. Die metallene Kugel trumpft als Spiegelmoment am Kopfe der Skulptur, die dem Orakel von Delphi gleich zu sagen scheint: „Erkenne Dich selbst.“ Der organisch geformte, teils raue Stein, trägt Einkerbungen und bezirzt mit der Inschrift „promiskuitiv“. Das reliktartige Objekt erlaubt Einsichten, die es möglich machen, Wahrheiten, Regeln, Beziehungen und sich selbst zu hinterfragen. Tara Olsens Skulpturen bewegen sich zwischen Ordnung und Strömung, zwischen Struktur und Auflösung, zwischen Anmut und Zerstörung.

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Exh.View: Mareike Tocha

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Tara Olsen - Station 3

Tom König arbeitet in ?02 (all that is solid melts into air) mit Bitumen, Lack, Pigmenten und Acryl in Schwefelgelb, und Inkjetprint auf Nessel. Pech und Schwefelgelb – eine alchemistische Kombination, die Gegensätze aufruft: Dichte und Flüchtigkeit, materielle Dunkelheit und in Bewegung bringende Energie. In diesen Spannungen spiegeln sich auch die Motive der Ausstellung. Die eingesetzten Materialien unterwerfen sich jedoch keiner klaren Bedeutungszuschreibung und widerstehen einer eindeutigen Lesart. König setzt sie gezielt als Kontrastmittel zu malerischen Vorstellungen von Pathos ein. Farbe fungiert hier nicht als metaphysische Geste, sondern als Mittel zur Überlagerung, zur Verdeckung, zur Reflexion über die Bedingungen von Sichtbarkeit selbst. Die Arbeit entzieht sich der Entschlüsselung und stellt stattdessen Fragen. In ihrer geschichteten und doch zurückgenommen wirkenden Materialität öffnet sich ein Raum, in dem sich Bedeutung nicht abbildet, sondern andeutet. Gerade in dieser Zurückhaltung liegt ihr Gegenbild zu überformten Narrativen und als stilles Gegengift zur Projektion.

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Tom König - ?02 (all that is solid melts into air) Lack, Bitumen, Pigmente, Acryl, Inkjetprint auf Nessel , 32x32cm

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Exh.View: Mareike Tora

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Alissa Ritter

Alissa Ritters Arbeit powder room (backstage) changiert zwischen Sichtbarkeit und Verhüllung. Ihre Masken hängen sich gegenüber wie Zwillinge aus einem Guss, wie zwei Spiegel, die einander reflektieren, und eine Bewegung zwischen Inszenierung, Entblößung und tiefer Verbundenheit andeuten. Die durchscheinenden Oberflächen der Masken tragen die Spur von Berührung. Ihre Augen sind als innekehrendes Moment geschlossen – als Geste der Ruhe und der Einkehr, als Schutz, als Selbstreflektion und Selbstreferentialität. Der rote Mund widersetzt sich der Innenkehr, als lautes Merkmal des Begehrens für- und zwischeneinander, und für sich selbst. Er ist gleichermaßen ein Symbol für Leidenschaft, als auch für Maskerade. powder room (backstage) verweist auf den historischen Begriff eines Rückzugsraums hinter der Bühne, vor einem Auftritt – eines Ortes der Vorbereitung, an dem die Inszenierung eingeleitet wird. Ein Raum des Werdens, der sich formen will und zur Form und Formel verhilft. Ritters Masken sind keine festen Identitäten, sondern fragile Übergänge, Reflexionen dessen, was sich verändert, und was im aufgeladenen Raum zwischen den beiden Gesichtern passiert.

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Exh.View: Mareike Tocha

Wenn die Tiefe der Liebe die Formel ist, ist die Oberfläche das Gegengift.

Das Gegengift ist nicht laut. Es ist nicht sichtbar. Es ist nicht die Konfrontation, sondern ihr Fehlen. Es ist das leise Vermeiden, das allmähliche Verschwinden. Es ist das Schweigen, das einen Raum füllt, bis nichts mehr gesagt werden kann. Es ist das Zögern, das nie Klarheit wird. Es ist das, was Liebe verdunsten lässt, bevor sie sich überhaupt formen kann.

Wahre Liebe ist nicht das, was sich entzieht. Sie ist nicht das, was sich in Mauern und Schutzmechanismen verliert. Sie ist die Tiefe, in die man sich wagt, wenn man aufhört zu vermeiden. Sie ist das, was geschieht, wenn man den Mut hat, sich zu zeigen. Und so wie Wasser die Tiefe spiegelt, aber auch verbirgt, zeigt sich die Liebe erst dann, wenn man bereit ist hinzusehen. Sie verlangt, durch Schichten hindurchzugehen – durch eigene Muster, durch das Unbewusste, durch das, was uns trennt, um schließlich an den Kern zu gelangen.

Vielleicht ist das Gegengift kein Gift. Vielleicht ist es nur das, was sich schmerzhaft anfühlt, wenn alte Schutzschichten abgetragen werden. Vielleicht ist es nur die Angst vor der Tiefe, die einen glauben lässt, dass es sicherer ist, an der Oberfläche zu bleiben.

Doch Liebe ist keine Oberfläche. Sie ist ein Abstieg, ein Eintauchen, ein Finden. Und in diesem Finden liegt die einzige Formel, die zählt.
Elisa Mosch

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Exh.View: Mareike Tocha

Exhibition Trailer: 20.03.-02.04.2024/24h

Tara Olsen greift auf Mythologien zurück, die sowohl intim und persönlich als auch universell erscheinen. In ihrer Arbeit Poseidons Töchter, die als Preview zur Ausstellung gezeigt wird, verweist sie auf ein Narrativ, das im Mythos nicht existiert. Poseidon, der Meeresgott, wird meist als Vater von Söhnen dargestellt – doch was, wenn seine Töchter eine eigene Geschichte erzählen?

Olsen schafft mit ihrer Skulptur eine alternative Erzählung und hinterfragt damit konventionelle Strukturen und Narrative. Die Struktur des Steins ist unwiderruflich aufgebrochen, gar zerborsten wie eine malerische Kulisse von Felsenklippen. Die hellgrünen Adern züngeln wie erstarrte, ins Steininnere gemalte Wellen. Auf den Bruchebenen ruhen und wachen die verspiegelten Murmeln, wie die Hüterinnen eines Geheimnisses, dessen doch alle teilhaben können, die willens sind, sich selbst zu erkennen, und sich zu öffnen, um in Relation zu treten.

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Exhibition Trailer: Tara Olsen

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Exhibiton Trailer: Tara Olsen - Poseidons Töchter 20.03.–02.04./24h

Tara Olsen - Poseidons Töchter (Detail)

Tara Olsen - Poseidons Töchter (Detail)

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Exhibition Trailer: Tara Olsen - Poseidons Töchter

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