Francisca SilvaPatrick NiemannRamon Quenders

Francisca Silva
Patrick Niemann
Ramon Quenders

Eddie Kola. Grenoble, Grenoble, Grenoble

Francisca Silva, Patrick Niemann, Ramon Quenders

26.10.-24.11.2024 | Do + Fr 16-19 Uhr  (X Fr 15.11. geschlossen) 
Opening: 25.10.2024  
Text: Elisa Mosch
Exhibition: Timo Schmidt

Ist man an einem anderen Ort ein anderer Mensch? Eine Reise ist stets mit einem Ortswechsel verbunden. Wann hört ein Ort also auf, wann fängt der nächste an, und ab welchem Moment beginnt eine Reise? Reisen kann man physisch, aber auch geistig und emotional; oder wenn man Worten folgt und liest. Man kann in der Zeit reisen, in Erinnerungen und in Vorstellungen von der Zukunft, an den Ort oder Moment, an den man sich sehnt. Sehnsucht ist das treibende Sehnen nach dem, was gerade nicht ist. Eine teils schöne und zuweilen verzweifelte Reise, jedoch mit klarem Ziel. Und Imagination und Kreation können dazu genutzt werden, diese Reise anzutreten.

Patrick Niemann (*1976), Francisca Silva (*1984) und Ramon Quenders (*1992) leihen uns ihre inneren und äußeren Bildwelten und verbinden jene zu dritt in der Ausstellung Eddie Kola. Grenoble, Grenoble, Grenoble im La Felce.

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Exhibition Poster: Ramon Quenders

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Francisca Silva

Eddie Kola ist ein Graffiti-Schriftzug, der in dem Essay Kool Killer oder Der Aufstand der Zeichen (1975) von Jean Baudrillard erwähnt wird. Zusammen mit Grenoble Grenoble Grenoble ist der dadaistisch anmutende Titel nicht nur phonetisch wohlklingend, sondern erinnert an einen Zauberspruch, der durch dreifache Besiegelung wirksam wird.

Francisca Silva arbeitet als Tattoo-Künstlerin in New York und absolvierte ihre künstlerische Ausbildung an der Züricher Hochschule der Künste (ZHdK). Sie nutzt ihr eigens kreiertes Lettering nicht nur für ihre Tätowierungen, sondern auch für ihre multimedialen Kunstwerke. Mit ebendiesen lebensbejahenden, hexischen und reflektierenden Aussprüchen und Bildmotiven, fasziniert sie sich für Phänomene der nicht sichtbaren Parallelwelten, der Popkultur sowie die Sprache des Internets. Die beiden Künstler Patrick Niemann und Ramon Quenders absolvierten ihr Studium an der Düsseldorfer Kunstakademie in den Klassen von Albert Oehlen und Andreas Schulze, und fanden ihre künstlerischen Anfänge beide in der Graffiti-Szene. Und Graffiti ist eine Sprache, die draußen lebt, voller Kodierungen und Kürzel. Und eine Sprache ist eine Welt.

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Ramon Quenders

Ramon Quenders macht sich Schrift zu eigen und nutzt sie wie Titel oder Plakatüberschriften, oder Unterschriften. Seine gemalten Szenen verweisen auf Sehnsuchtsorte und Sehnsuchtsmomente. Erinnerungen an warme Tage, das Vermissen und Schwelgen, stehen als Verweise auf die sonnige Seite des Lebens, die einst war. Sie erzählen davon, dass Glück stets ein Moment ist, die Wertschätzung eines Moments erst real wird, wenn er zur Erinnerung geworden ist, und muten deshalb bittersüß an.

Auf der einen Seite wirken die Bilder kindlich-naiv, auflockernd und befreiend. Und doch tragen sie weitere Schichten, die sich herausschälen, je länger man sie betrachtet. Sie zeugen von der Kraft, die Reminiszenzen bieten, greifen eine Melancholie auf, die Reife mit sich bringt, ohne dabei bloß traurig zu sein. Sie erzählen vom Aufbrechen mit Bewusstheit und Klarheit. Sie erzählen von der tief emotionalen und gleichzeitig ernüchternden Erkenntnis, die kommt, nachdem man erlebt hat, dass Sehnsucht, das sehnliche Verlangen nach etwas ist, das gerade nicht ist, oder nicht sein kann. Sie sprechen von Hoffnung und Verzweiflung gleichzeitig. Die lebendige und helle Bildsprache an der Oberfläche der Leinwände, taucht ein in Hintergründe und Untergründe des Lebens. 

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Ramon Quenders

Patrick-Niemann-Nightspace-

Patrick Niemann

Patrick Niemann nutzt bunte und oft helle oder gar grelle Farbflächen, um kreisende und reisende Gedanken anzudeuten und eröffnet Bedeutungshorizonte. Auf seinen unlokalisierbaren und minimalistisch in Farbkategorien gehaltenen Landschaftsbildern, ist allein die Horizontlinie kennzeichnend, für die Grenze zwischen Boden und Land. Die früheren Serien namens LandEscapes und Nightscapes (2021/22) deutet an, dass er die malerische Flucht auch als reale Flucht betrachtet. Der Ort bleibt offen und undefiniert, durch Farbflächen und abstrahierende Reduziertheit, klare Linien und Abgrenzungen. Definitionen finden nur im eigenen Denken statt, agieren wie Signale, die auf etwas hinweisen, was man zu kennen meint. Es geht in Niemanns Arbeiten nicht ums Verstehen, sondern ums Offenlassen und Sehnen im Gesehenen, um die Utopie, die eine Landschaftsmalerei oftmals verheißt. Andere Serien (2005) von ihm lassen ebenso Stellen offen. Sie zeigen Schrift, Sprache und  Personen, deuten Szenen und Sujets an und lassen Grenze wiederum verschwimmen, durch Auslassungen und scheinbare Unfertigkeit. Die Unfertigkeit triggert, gibt Figuren und Konstellationen im Bild jedoch eine starke Präsenz, emotionale Intensität und Schlagkraft, die tief in persönliche Erinnerungen trifft.

Patrick Niemann Info

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Patrick Niemann

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Die neueste Serie (2024) verbindet die beschriebenen früheren Serien miteinander und lockert Grenzen auf. Die in dunkleren und doch prägnanten Farben gehaltenen Landschaften leiten da, wo früher klare Linien waren, Unschärfen ein und lassen Umrisse, die einst die Ordnung boten, verschwimmen. Das Thema des Fliehens, Offenlassens und gleichzeitig des Öffnens fließt auch in die dämmrigen Landschaften mit ein – sie treiben Richtung Nacht, in der das Unbewusste und Unterbewusste regiert.

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Francisca Sliva

Francisca Silva graviert ihre Bildschrift und typografischen Symbole auch auf die Oberfläche von menschlichen Körpern in ihren Tätowierungen. Gleichzeitig ist ihre eigene Handschrift auch in ihren Bildern auf Papier und Leinwand zu finden, die wie eine Geheimsprache erscheinen. Silva schlägt die Brücke und schließt die Klammer, hinein in den Spiritualismus. Sie stellt uns vor einen Kosmos an Eigenheiten, die durch Repetition zur Konvention werden und im Raum ihre Gültigkeit erfahren. Ihre oft immersiven Arbeiten nehmen die Betrachtenden mit hinein, in einen Bann, und wirken nahezu rituell.

Ihre Bilder sind wie Altäre, Privates wird nicht versteckt, sondern absichtlich entblößt – Höheres wird beschworen, gleich einem Tempel der Imagination. Es fühlt sich an, als würde man eingeweiht, wenn man ihre Bilder betrachtet und Teil von etwas ganz Intimen, und gleichzeitig etwas nun Allgemeingültigen. Etwas das schon existierte, etwas, das man ahnte, aber nicht wusste. Francisca Silva interessiert Irdisches sowie Außerirdisches, Sinnliches, als auch Übersinnliches, und zaubert dieses in den Ausstellungsraum.

Alle drei künstlerische Positionen in der Ausstellung Eddie Kola. Grenoble, Grenoble, Grenoble stellen uns vor ein neues Firmament an Zeichen, die an Orte der Sehnsucht verweisen. Und Sehnsucht hat viele Schichten. Sie ist in erster Linie, wie ein Magnet, oder ein Motor. Sie hat immer ein bestimmtes Ziel, an das sie uns treiben will. Das Trügerische und Tragische an ihr ist nur, dass dieses Ziel oft unerreichbar ist. Sie ist Liebe in Verbindung mit Drang und Unmöglichkeit. Sehnsüchtige Liebe danach, woanders zu sein, etwas zu haben oder vor allem mit jemandem zu sein. Eine Erweiterung zu erfahren, die wir denken zu brauchen. Die wir einst vielleicht sogar hatten und in den Händen hielten, aber nicht halten konnten. Oder die uns nicht halten wollte oder konnte. Manches Sehnen ist immoralisch, treibt uns an die eigenen Grenzen, in den

Ländern in unserem Inneren. Manchmal hoffen wir, Falsches mit Falschem wettmachen zu können, versuchen gegen die Zerfahrenheit und Verfahrenheit zu rebellieren, indem wir an einer Hoffnung festhalten, die scheinbar die Einzige ist, die es vermag, eine Erleichterung zu bringen. Und danach dann ist sie die Realisation, dass der letzte Funke von ebendieser Hoffnung meist nicht hält, was er verspricht.

schleichende Kribbeln der wunderschönen Erinnerung, gepaart mit dem realen Gefühl der Niederlage und des Verlierens. Etwas doch noch retten und halten wollen. Sehnen verbindet eines der höchsten Gefühle mit dem der Ausweglosigkeit. Hoffen und Aufgeben reichen sich die Hand und verbinden sich in einem Drang, der an manchen Punkten im Leben kaum auszuhalten ist. Hoffnung, Hingabe und Verzweiflung ringen miteinander, tanzen, schwanken, bis sie dann in eine Richtung kippen. Wir legen unser Herz auf diese Waagschale namens Sehnsucht; pendeln sie in unseren Händen hin und her und hoffen, dass sie auf eine Seite kippt. Oder nicht kippt. Denn Sehnsucht ist der Ort dazwischen. Sie wohnt inmitten der Amibivalenz. Zwischen dem, was sein könnte und dem, was wirklich da sein kann. Sie treibt uns zu dem, was wir so sehr wollen, aber nicht haben können, aus Gründen, die das Schicksal bestimmt. Und Sehnsucht ist Intensität. Weil sie uns unsere Machtlosigkeit, unsere Vergänglichkeit und unsere Sterblichkeit auf bittersüße Weise erklärt. Sie erklärt uns eine Nuance mehr, als allein Liebe oder Leidenschaft es könnte, auch wenn die drei sich sehr nahestehen. Sie bringt uns an den Rand von dem, was wir selbst sein können. Sehnsucht lehrt uns erst kaum aushaltbares Verlangen, und dann, danach, nach dem Verlieren, nach der Ernüchterung, lehrt sie uns Akzeptanz. Sie lehrt uns Vertrauen. Und sie zeigt uns, dass manche Begegnungen und Orte echt waren, doch manchmal nur noch in der Erinnerung und aus der Entfernung funktionieren. Sie lehrt uns auch das Loslassen. Und dann das Wiederfinden. Sie zeigt uns, dass das was wir wirklich sehnen, sich auch nach uns sehnt. Dass es uns sieht und uns erkennt, oder uns woanders wieder trifft. Wir lernen das durch Enttäuschungen. Und egal, wie weit man reist, oder wo man hingeht, da ist man selbst auch. Reist man der Sehnsucht hinterher, verbergen sich oft Trugschlösser hinter ihr, die von weitem aussahen wie Paläste. Wir finden sie und uns hinter dem, was dazwischen liegt. In dem, was dahinter liegt.

Für die Ausstellung Eddie Kola. Grenoble Grenoble Grenoble im La Felce zeigen uns Patrick Niemann, Francisca Silva und Ramon Quenders ihren Blick auf ihre Sehnsüchte und Sehnsuchtsorte. Teilen mit uns Geheimnisse, spiegeln unsere Sehnsuchtsorte, und kreieren zusammen eine Bildwelt, in der sich ihre Ziele und Zeichen aus anderen Welten, Orten und Momenten zusammenfinden. Sie zeigen uns, was dazwischen und dahinter liegt.

Elisa Mosch 

La-Felce-Ramon-Quenders-Patrick-Niemann

Exh. view

La-Felce-Ramon-Quenders-Patrick-Niemann
La-Felce-Grenoble-Eddie-Kola

Grenoble Exh. Team (Drawing: Ramon Quenders)

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Patrick Niemann, Elisa Mosch, Ramon Quenders, Timo Schmidt

Essi KuokkanenBjörn Knapp

Essi Kuokkanen
Björn Knapp

Regular Volley

Essi Kuokkanen & Björn Knapp

31.08.-29.09.2024 + 03.10. 16-19 Uhr | 04.10. 16-21(Finissage)
Opening: 30.08.,  6 pm
31.08. 1 – 7 pm | 01.09. 1 – 5 pm DC OPEN
Ausstellung: Timo Schmidt

Essi Kuokkanne Info               Björn Knapp Info

Björn-Knapp-La-Felce

Björn Knapp - TSIR-sinvex (2024), Oil on canvas, 180x140cm

Essi-Kuokkanen-La-Felce

Essi Kuokkanen - Emotional Support(2024), Oil on canvas, 77,5 x 60cm | photo: Eetu Huhtala

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Exh.view: Mareike Tocha

La-Felce-Essi-Kuokkanen-Björn-Knapp-Timo-Schmidt

Exh.view: Mareike Tocha

La-Felce-Essi-Kuokkanen-Timo-Schmidt

Essi Kuokkanen - Crushing (2024) oil on canvas, 78 x 60,5 cm

Essi-Kuokkanen-La-Felce

Essi Kuokkanen - Decomposing, Crying, Growing (2024) oil on canvas, 82 x 60 cm

La-Felce-Essi-Kuokkanen-Björn-Knapp-Timo-Schmidt

Exh.view: Mareike Tocha

La-Felce-Essi-Kuokkanen-Björn-Knapp-Timo-Schmidt

Exh.view: Mareike Tocha

La-Felce-Essi-Kuokkanen-Björn-Knapp-Timo-Schmidt

Exh.view: Mareike Tocha

La-Felce-Essi-Kuokkanen-Björn-Knapp-Timo-Schmidt

Exh.view: Mareike Tocha

La-Felce-Bjoern-Knapp-3

Björn Knapp - RST-over all (2024) oil on canvas, 135 x 110 cm

La-Felce-Essi-Kuokkanen-Björn-Knapp-Timo-Schmidt

Exh.view: Mareike Tocha

La-Felce-Essi-Kuokkanen-Björn-Knapp-Timo-Schmidt

Exh.view: Mareike Tocha

LILI SÜPER&JOHANNES HOFFMANN

LILI SÜPER
&
JOHANNES HOFFMANN

IT IS YOUR BIRTHDAY

Lili Süper & Johannes Hoffmann

27.07. – 25.08.2024
Opening: 26.07., 18 Uhr / 6 pm
Do + Fr 16-19 Uhr / 4-7 pm

Curator: Amelie Gappa, Graphic Design: Juliane Schmitt
Kindly supported by Kulturamt Köln

 

 IT IS YOUR BIRTHDAY befasst sich mit Zwischenzuständen, mit Orten der Transformation und Imagination. Lili Süper verwandelt das La Felce in eine Gesamtinstallation, die von Unbehaglichkeit oder Unsicherheit erzählt, die entsteht, wenn wir Dinge nicht einordnen können. Durch größere, aber auch subtilere Gestaltungseingriffe wird ein Raum kreiert, der nostalgische Erinnerungen hervorruft und gleichzeitig mit kurioser Unheimlichkeit spielt. Johannes Hoffmann entwickelte eine Performance und daraus resultierende Installation, die dem Prinzip der ewigen Wiederholung folgend durchritualisiert ist. Anhand der Intensität einer Hand voll Noten geht es um Einfachheit, Emotion und liminale Zustände – einen Schwellenzustand, in dem die Vergangenheit für eine kurze Zeit nicht relevant ist und die Zukunft noch nicht begonnen hat. Ein Moment voller Möglichkeiten, in dem alles in einem fragilen Gleichgewicht schwebt. Auch die Arbeit selbst befindet sich in einem Zwischenzustand: zwischen Ereignis und Ereignislosigkeit, Anwesenheit und Abwesenheit der Körper, Konzert und Sound-Installation. 

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 IT IS YOUR BIRTHDAY deals with the in-between, with places of transformation and imagination. Lili Süper creates a spatial installation for La Felce. It tells of the discomfort or uncertainty that arises when we are unable to categorise things. Through major and also more subtle changes, a space is created that evokes nostalgic memories and at the same time plays with curiosity and eeriness. Johannes Hoffmann developed a performance and corresponding installation that follows the principle of eternal repetition and is ritualised throughout. Based on the intensity of a handful of notes, it is about simplicity and emotion and liminal states: about a threshold state in which for a short time the past is not relevant and the future has not yet begun – a moment full of possibilities in which everything hovers in a fragile balance. The work itself is also in-between states: between event and uneventfulness, presence and absence of bodies, concert and sound installation. 

Lili-Süper-Amelie-Gappa

Graphic Design: Juliane Schmitt

La-Felce-Lili-Süper
Doppelter Boden Klasse John Morgan

Doppelter Boden
Klasse John Morgan

Doppelter Boden

Klasse John Morgan

21.06. 18 Uhr (Vernissage)
22.06., 23.06., 29.06. 14-18 Uhr
30.06. 16 Uhr (Finissage)

Banu Alpsü • Ronja Greiner • Jan Hunkemöller • Kim-Camille Kreuz • Jule Kupper • Maxi Lorenz • Finn Loud • Stephanie Passul • Fabio Sacher • Nick Schmidt 

Unter dem Ausstellungstitel “Doppelter Boden” lädt die Klasse John Morgan der Kunstakademie Düsseldorf in eine begehbare Rauminstallation ein, die den Tisch als Objekt in seine verschiedenen Bedeutungszusammenhänge zerlegt. Die KünstlerInnen die mit enormer Wucht, auch feinfühlig und präzise Hand an legen sind: Banu Alpsü, Ronja Greiner, Jan Hunkemöller, Kim-Camille Kreuz, Jule Kupper, Maxi Lorenz, Finn Loud, Stephanie Passul, Fabio Sacher, Nick Schmidt.

Der offizielle Titel der Klasse ‘Entwurf, Typographie und Buchkunst’ spiegelt sich in den Schwerpunkten John Morgans eigener Praxis und gemeinsamen Publikationsprojekten wieder. Die Klasse selbst lässt sich besser als medienunabhängige Klasse der freien Kunst beschreiben, in der Grenzen verschiedener Disziplinen verschwimmen und jede/r Einzelne seine/ihre eigene künstlerische Praxis definiert.

Die Ausstellung ist Teil der Serie advantage book

Stephanie-Passul-Daniel-Seemayer-La-Felce

Exh.Poster: Stephanie Passul & Daniel Seemayer

John-Morgan-Wrestling
Daniel-Seemayer-Stephanie-Passul-La-Felce

Exh.Shirt

Schmetterlings­kuss  Pauline Rintsch

Schmetterlings­kuss
Pauline Rintsch

Schmetterlingskuss

Pauline Rintsch

17.05.2024  18-22 Uhr (Vernissage)
18.05.-16.06.2024 Do+Fr 16-19 Uhr  
16.06.2024 16 Uhr (Finissage)

Amelie Gappa (Kuratorin), Martha Herfort (Szenografie Assistenz), Juliane Schmitt (Grafikdesign) Gefördert vom Kulturamt Köln. 

In ihrer ersten Einzelausstellung Schmetterlingskuss im La Felce in Köln präsentiert die Düsseldorfer Künstlerin Pauline Rintsch  (*1995) neue Arbeiten. In ihren figurativen Malereien setzt sich die Künstlerin mit Themen unseres menschlichen Daseins auseinander: Alltagszenen und -gesten, Freund*innen- und Mutterschaft. Was um sie herum passiert, umtreibt die Künstlerin. Nicht das einsame Genie kreiert, sondern ihre Arbeiten speisen sich aus dem Austausch zwischen Menschen und bieten uns damit Projektionsflächen und Anknüpfungspunkte für persönliche Erlebnisse. Mit offenem Blick und an Details interessiert, baut Pauline Rintsch ihre Arbeiten auf Basis der Objekte oder Momente ihrer Faszination auf. Auch ihre neuesten, kleinformatigen Werke finden ihren Ursprung im direkten Umfeld der Künstlerin, sind aber nun von einem poetisch-märchenhaften Narrativ durchzogen, in dem sich Mensch und Tier annähern: Mal wird die Katze auf dem Kopf eines Kindes zum menschlichen Haar, ein bekleidender Pelz zum schützenden Fell und schlanke Hände zu roten Krallen. Ein anderes Mal recken drei Mädchen gierig ihre Köpfe und Zungen wie Jungvögel zu einer saftigen Erdbeere. Das Tier(ische) dient hier nicht nur als Staffage oder Symbol, sondern verleiht Pauline Rintschs Arbeiten auch eine anti-rationale sowie magische Gestalt.

In her first solo exhibition Schmetterlingskuss (Butterfly Kiss) at La Felce in Cologne, the Düsseldorf-based artist Pauline Rintsch (*1995) presents new works. In her figurative paintings, she explores themes of our human existence: everyday scenes and gestures, friendship and motherhood. The artist is driven by the events and scenes that surround her. It is not the solitary genius who creates, but rather her works are based on the exchange between people and thus offer us scope for projection and points of reference for personal experiences. With an open eye and an interest in details, Pauline Rintsch develops her works on the basis of the objects or moments that fascinate her. Her latest small-format works also draw inspiration from the artist’s immediate surroundings, but are now imbued with a poetic, fairytale-like narrative in which humans and animals draw closer together: The cat on a child’s head becomes human hair, a fur coat becomes protective fur and slender hands become red claws. In another instance, three girls greedily stretch their heads and tongues towards a juicy strawberry, resembling young birds. The animal(ism) serves not only as staffage or a symbol, but also awards Pauline Rintsch’s works an anti-rational and magical form.

Amelie Gappa (Curator), Martha Herfort (Scenography Assistant), Juliane Schmitt (Graphic Design)

La-Felce-Pauline-Rintsch-Amelie-Gappa

»reaching for the stars II«

La-Felce-Pauline-Rintsch-Juliane-Schmitt

Graphic Design: Juliane Schmitt

La-Felce-Pauline-Rintsch-Dirk-Rose-Amelie-Gappa

Installation view Pauline Rintsch. Schmetterlingskuss, La Felce Cologne, 2024 © Pauline Rintsch, Photo: Dirk Rose

Pauline-Rintsch-La-Felce-Amelie-Gappa

»Vasja«

La-Felce-Pauline-Rintsch-Dirk-Rose-Amelie-Gappa

Installation view Pauline Rintsch. Schmetterlingskuss, La Felce Cologne, 2024; Vasja, oil on paper, 2024, 56 x 42 cm © Pauline Rintsch, Photo: Dirk Rose

Pauline-Rintsch-La-Felce-Amelie-Gappa

»providing (Helene + Amaia)«

La-Felce-Pauline-Rintsch-Dirk-Rose-Amelie-Gappa

Installation view Pauline Rintsch. Schmetterlingskuss, La Felce Cologne, 2024; providing (Helene + Amaia), oil on paper, 2024, 56 x 42 cm (left); reaching for the stars I, oil on paper, 2024, 56 x 42 cm (right) © Pauline Rintsch, Photo: Dirk Rose

Pauline-Rintsch-La-Felce

»reaching for the star I«

Pauline-Rintsch-La-Felce

»ohne Titel (symbol of pain)«

La-Felce-Pauline-Rintsch-Dirk-Rose-Amelie-Gappa

Installation view Pauline Rintsch. Schmetterlingskuss, La Felce Cologne, 2024; reaching for the stars II, oil on paper, 2024, 56 x 42 cm (left); Ohne Titel (symbol of pain), oil on paper, 2024, 56 x 42 cm (right) © Pauline Rintsch, Photo: Dirk Rose

Schmetterkingskuss-Pauline-Rintsch-La-Felce-Amelie-Gappa

»Schmetterkingskuss«

La-Felce-Pauline-Rintsch-Dirk-Rose-Amelie-Gappa

Installation view Pauline Rintsch. Schmetterlingskuss, La Felce Cologne, 2024; Schmetterlingskuss, oil on paper, 2024, 56 x 42 cm (left); providing (Helene + Amaia), oil on paper, 2024, 56 x 42 cm (center); Ohne Titel (symbol of pain), oil on paper, 2024, 56 x 42 cm (right) © Pauline Rintsch, Photo: Dirk Rose

La-Felce-Pauline-Rintsch-Dirk-Rose-Amelie-Gappa

Installation view Pauline Rintsch. Schmetterlingskuss, La Felce Cologne, 2024; reaching for the stars II, oil on paper, 2024, 56 x 42 cm © Pauline Rintsch, Photo: Dirk Rose

La-Felce-Pauline-Rintsch-Dirk-Rose-Amelie-Gappa

Installation view Pauline Rintsch. Schmetterlingskuss, La Felce Cologne, 2024; Ohne Titel (symbol of pain), oil on paper, 2024, 56 x 42 cm © Pauline Rintsch, Photo: Dirk Rose

Text: Amelie Gappa       (scroll for eng)

In ihrer Einzelausstellung Schmetterlingskuss zeigt die Düsseldorfer Künstlerin Pauline Rintsch neue Arbeiten. In ihren figurativen Malereien setzt sie sich mit Themen unseres menschlichen Daseins auseinander: Alltagszenen und -gesten, Freund*innen- und Mutterschaft. Was um sie herum passiert, umtreibt die Künstlerin. Nicht das einsame Genie kreiert, sondern ihre Arbeiten speisen sich aus dem Austausch zwischen Menschen und bieten uns damit Projektionsflächen und Anknüpfungspunkte für persönliche Erlebnisse. Mit offenem Blick und an Details interessiert, baut Pauline Rintsch ihre Arbeiten auf Basis der Personen, Objekte, Begriffe oder Momente ihrer Faszination auf.

Auch ihre neuesten, kleinformatigen Werke finden ihren Ursprung im direkten Umfeld der Künstlerin, sind aber nun von einem poetisch-märchenhaften Narrativ durchzogen, in dem sich Mensch und Tier annähern: Mal wird die Katze auf dem Kopf eines Kindes zum menschlichen Haar, ein bekleidender Pelz zum schützenden Fell und schlanke Hände zu roten Krallen. Ein anderes Mal recken drei Mädchen gierig ihre Köpfe und Zungen wie Jungvögel zu einer saftigen Erdbeere. Das Tier(ische) dient bei Pauline Rintschs Arbeiten damit nicht nur als Staffage oder Symbol, sondern verleiht ihnen auch eine anti-rationale sowie magische Gestalt.

Ihre Arbeiten zeigen zudem Gesten der Zuneigung oder des Sich-Kümmerns: Bei providing (Helene + Amaia) steht eine Mutter, die ihrem Kind eine Wasserflasche zum Trinken an den Mund hält, im Zentrum des Geschehens. Die Arbeit Schmetterlingskuss, die titelgebend für die Ausstellung ist, verbildlicht eine besondere Art des Kusses, bei dem mit dem Auf- und Zuschlagen der Wimpern die Wange des Gegenübers liebkost wird. Diese Geste nimmt die Künstlerin als Ausgangspunkt für ihre Malerei und kombiniert sie mit dem Portrait eines Freundes.

Flach ohne Rahmung an die Wand angebracht, stehen die Werke sich und den Betrachtenden gegenüber. Ohne Rahmung – ohne Schutz, ohne Schmuck – und damit verletzlicher. Im La Felce werden sie zusätzlich durch Paravents aus Holz und Papier in den Raum gebracht, treten zurück und hervor und erlauben neue Blickwinkel. Wie herangezoomt erscheinen viele der Malereien – ausschnitthaft – und geben keinen Ort des Geschehens zu erkennen. Verbunden mit einer symbolträchtigen Bildsprache erhalten sie eine parabelhafte Gestalt und lassen Raum für ihr Weiterdenken. 

(Eng)

In her solo exhibition Schmetterlingskuss (Butterfly Kiss) the Düsseldorf-based artist Pauline Rintsch presents new works. In her figurative paintings, she explores themes of our human existence: everyday scenes and gestures, friendship and motherhood. The artist is driven by the events and scenes that surround her. It is not the solitary genius who creates, but rather her works are based on the exchange between people and thus offer us scope for projection and points of reference for personal experiences. With an open eye and an interest in details, Pauline Rintsch develops her works on the basis of the persons, objects or phrases that fascinate her.

Her latest small-format works also draw inspiration from the artist’s immediate surroundings, but are now imbued with a poetic, fairytale-like narrative in which humans and animals draw closer together: The cat on a child’s head becomes human hair, a fur coat becomes protective fur and slender hands become red claws. In another instance, three girls greedily stretch their heads and tongues towards a juicy strawberry, resembling young birds. The animal(ism) serves not only as staffage or a symbol, but also awards Pauline Rintsch’s works an anti-rational and magical form. 

Her works also show gestures of love or caring: in providing (Helene + Amaia), a mother holding a bottle of water to her child’s mouth is at the centre of the scene. The work Schmetterlingskuss, which gives the exhibition its title, visualises a special kind of kiss in which the cheek of the other person is gently touched by opening and closing the eyelashes. Pauline Rintsch took this gesture as the starting point for her painting and combined it with a portrait of a friend.

Mounted flat on the wall and left unframed, the works face each other and the viewer. Without frames – without protection, without decoration – making them more vulnerable. In La Felce, they are additionally placed in the space by folding screens made of wood and paper, retreating and emerging and allowing new perspectives. Many of the paintings appear as if zoomed in – cropped – without revealing the original scene. Combined with symbolic imagery, they take on a parable-like form and leave room for further thought.

Soft Spot   Julia Jesionek

Soft Spot
Julia Jesionek

Soft Spot

Julia Jesionek

15.03. 18-22 Uhr (Vernissage)

16.03.-14.04.2024 Do+Fr 16-19 Uhr
+ 18.04., 25.04., 26.04. 16-19 Uhr | 27.04. 16-22 Uhr, 28.04. 16-20 Uhr (c/o Pop Festival)

Exh.Team: Julia Jesionek,
mit Meike Eiberger (Ausstellungstext), George Popov (Plakat), Timo Schmidt (Ausstellung)

Spinnen, Schmetterlinge, auch Hufeisen; Sehnsüchte, Verletzlichkeit, auch Nacktheit, naked  nicht nude. Julia Jesionek erzählt in ihren Arbeiten mit einer ehrlichen Fröhlichkeit von Bedürfnissen, Konflikten und Geheimnissen. Erzählt werden sie in Bildwelten, hybrid bestehend aus fiktiven Orten und aus welchen, die es schon gibt – im Innersten oder dort, wo es sich unbeobachtet fühlen lässt.

Soft und intensiv zugleich, ein schmunzelndes Verharren und Prüfen dazwischen sind charakteristisch für ihre Zeichnungen und Malereien. Die wiederkehrende Protagonistin und Charaktere lassen ein Selbstporträt vermuten. Durch die spürbare Ambivalenz wird schnell deutlich, dass die Ausstellung über ein reines Erzählen hinausgeht.    TS

Info Julia Jesionek

La-Felce-Julia-Jesionek-George-Popov

Exhibition Poster: George Popov

Once more with feeling  Text von Meike Eiberger   
(scroll for eng)

Ich habe eine Schwäche für das Unbestimmte, für nahtlose Übergänge, für das Ausleben von Gefühlen, für das Tagträumen und für die leisen Töne. Mit Blick auf die Arbeiten Julia Jesioneks bekomme ich den Eindruck, dass unsere Vorlieben ähnliche sind. Vielleicht liegt es aber auch daran, dass ihre Gemälde uns dazu aufrufen, uns mit den Gedanken und Gefühlen der Künstlerin zu verbinden, sodass die Grenzen zwischen den Affinitäten verschwimmen. Entziehen kann man sich den leuchtenden Farben und surreal anmutenden Szenen keinesfalls, stattdessen lockt uns die Künstlerin immer weiter in ihre fantastischen Sujets. Derart werden wir Teil ihrer Kunst, erleben unmittelbar die Affekte der Dargestellten – wer sich darauf einlässt wird mit einer Reise durch das Innerste belohnt, die nicht zuletzt Auskunft über uns selbst geben kann.

Es brummt, zischt und wummert, wenn die Künstlerin sich ans Werk macht. Wie von Zauberhand werden Farben mithilfe der Airbrushpistole in winzige Partikel zerstäubt und lokalisieren sich durch den Luftdruck auf der Leinwand. So reiht sich Mintgrün an Indigo und Rosa an Rot. Blicken wir auf die Gemälde Jesioneks, ist das Wummern immer noch aus der Ferne zu hören. Es bietet uns Orientierung in dieser künstlerischen Welt, die zwar an die Realität erinnert, aber nichts mehr mit ihr gemein hat. Wummernd fühlen sich ebenso unsere Augen, wirken doch viele der Bilder, als ob auf ihnen ein Weichzeichner liegt, der die permeablen Grenzen zwischen unserer Realität und der inneren Welt der Künstlerin verwischt. Vor lauter Neugier tauchen wir bereitwillig in diese Szenen voller starker Protagonist:innen, fantastischer Wesen und allerlei seltsamen Gegenstände ein.

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So findet man sich, ähnlich wie die auf das Blatt geschossenen Pigmente, inmitten dieser surrealen Szenerien wieder. Ist das noch Traum oder Wirklichkeit? Und wenn ja, in wessen Traum bin ich hier eigentlich? Vielleicht träumt die rothaarige Figur in meandyoumories gerade auch von mir und ist genauso verdutzt, wie ich in diesem Moment. Ruhig liegt sie auf einer Vielzahl von Dingen und gleicht dabei einer Prinzessin auf der Erbse. Schlüssel, Teekanne, Kamm und Hufeisen sowie Häschentasse scheinen wie gemacht für diesen tiefen Schlummer. Durch die zarten Farben und die flauschige Textur des Farbauftrags wirken alle Beteiligten in sich selbst federleicht und tuffig. Zu gern würde auch ich dort ein Schläfchen machen – gut bewacht von der rosa Schlange und der Taube. Im Traum werde ich Teil dieser Ordnung, zerfließen meine eigenen Erinnerungen, die zu geteilten werden. Nur das Fieberthermometer lässt die Realität für einen Augenblick aufblitzen – handelt es sich bei dieser wunderbaren weichen Watte-Welt vielleicht doch nur um einen Fiebertraum? Dann wäre es kein Wunder, dass der Kopf so dröhnt – oder ist das womöglich jenes vibrierende Echo, das auf die Entstehung des Werkes verweist?

Viel Zeit darüber nachzudenken bleibt nicht, denn der Blick möchte weiterwandern, sehen, wie diese wundersamen Bild-Geschichten sich weiterspinnen. Vor unseren Augen entwickeln sich die Gemälde zu einer Art Narration – wenngleich die Szenen keine eindeutige Abfolge vorgeben. Durch ihre Durchlässigkeit finden die unterschiedlichen Sujets zueinander, so wie Jesioneks Gedanken und Affekte zu den meinen. Ich fühle mit bei den weinenden Gesichtern, deren große Tränen auf den Boden fallen und den Bilduntergrund wie bei Pond of You zu durchtränken scheinen. Der Eindruck, im wahrsten Sinne einen Tränenteich vor sich zu haben, verstärkt sich durch die Materialität der Malerei: Statt einer Leinwand ist ein Frottee-Handtuch notwendig, um all den Gefühlen gerecht zu werden. Ich fühle die sanften Umarmungen, die Kraft spenden und sich nicht nur auf menschliche Akteur:innen beschränken. In diesen surrealen Konstellationen, dieser Traumwelt erscheint alles möglich – hier kann jede Emotion in ihrer noch so kleinsten Nuance ausgelebt werden!

Bei dieser gnadenlosen Offenheit ist es nur logische Konsequenz, dass viele der Personen in Jesioneks Werken nackt oder nahezu nackt sind. Im Innersten gibt es keinen Raum fürs Verstellen, für Maskeraden oder Pokerfaces. Hier gibt es keinen Grund zu performen. „Nackt zu sein, bedeutet man selbst zu sein“ (Im Original: „To be naked is to be oneself.“) konstatierte 1972 John Berger in seinem vielbeachteten Essay „Ways of Seeing“. Haut fungiert als zarte und permeable Grenze zu unserer Außenwelt. Nackt zu sein bedeutet darum nicht zuletzt, im besonderen Maße verletzlich zu sein. Im Umkehrschluss ermöglicht nackt sein eine tiefergehende Wahrnehmung der Umgebung, merken wir doch unbekleidet jede kleine Nuance des Windes oder der Temperatur auf unserer Haut.


Wie Gefährtinnen begleiten uns die rothaarigen Figuren durch diese inneren Welten. Mal schauen sie uns direkt an, ein anderes Mal sind sie nur klein im Hintergrund zu sehen. Schnell sind wir dazu geneigt, sie als Selbstporträts der Künstlerin zu identifizieren, doch das wäre eine zu eindimensionale Betrachtung. Vielmehr fungieren sie als Alter Ego: wo es schwer fällt voll und ganz nackt, im Sinne von authentisch, zu sein, zeigen sie auf, was in der Imagination bleibt. Sie dienen uns ebenso als Rezeptionsfiguren, wenn wir ihnen gegenüberstehen oder hinter ihrem Rücken auf das Geschehene blicken. Sie eröffnen uns diese Denkräume der Situationen und Affekte, bieten den Anker, um vollends in diese eintauchen zu können. Ob betrübt, fröhlich, stolz oder zufrieden – ähnlich einer Blaupause demonstrieren sie uns, was auf der Klaviatur der Emotionen möglich ist.


In diese, durch die Maltechnik weich anmutenden, Werke ziehen darum auch schwierige Gefühle ein. Mit wütendem und misstrauischem Blick taxiert uns die rothaarige Figur in
Slow Burn. Der sonst so oft in leuchtenden Farben gestalte Hintergrund ist hier verdunkelt, die zarten Schmetterlinge wirken wie aufgeschreckt. Im Mittelalter wurde die Brennnessel genutzt, um böse Geister und Dämonen abzuwehren. Es wirkt beinahe so, als hätte die Protagonistin sie mithilfe des Blicks herauf beschworen, um sich gegen vermeintlich feindliche Einflüsse zu schützen. Ärger und Misstrauen bekommen so ein Gesicht und bedeuten uns keinen Schritt näher zu kommen. Was im Alltag allzu oft mit einem falschen Lächeln übergangen und im Inneren ausgetragen wird, tritt hier an die Oberfläche. Als ironische Brechung des Geschehens lässt sich die Miniatur des kleinen silbernen Bärchen in der linken unteren Ecke verstehen. Komplementär zur Rothaarigen lächelt uns der Bär an, als ob er kein Wässerchen trüben könnte. Wie das Anschauen von süßen Tiervideos im Internet, so entpuppt sich auch das Sticker-Bärchen als adäquater Coping Mechanismus für schwierige Gefühle. Zugleich lassen sich die beiden Bildebenen umdrehen und als Aufforderung verstehen, im Alltag nicht immer das lieb dreinblickende Bärchen zu mimen, sondern auch widerspenstige Affekte zuzulassen und ihnen mehr Raum einzugestehen.

Es sind diese Ambivalenzen, die sich in den Bilder Jesioneks stetig auftun. In Form von Zweideutigkeiten, doppelten Böden oder Interferenzen rufen sie zuweilen Irritationen hervor, eröffnen aber einen ebenso breiten Interpretationsspielraum. Die zarte Machart der Gemälde wird durch die zum Teil düsteren und ernsten Sujets gebrochen. Die Protagonistinnen ziehen uns hinein in das Geschehen, nicht ohne sich zuweilen wieder von uns zu distanzieren. Die Werke leben vom Dazwischen, vom Uneindeutigen, aber ebenso von unserer Bereitschaft uns allumfänglich auf dieses Wechselspiel einzulassen. Und so wummert es weiter…

 

Julia Jesionek, geboren 1998 in Gifhorn studierte bis 2023 an der Kunsthochschule für Medien Köln. Ihre Arbeit in den Bereichen Zeichnung, Malerei und Animation beschäftigt sich oftmals auf spielerische Art und Weise mit den Themen Körperlichkeit und Introspektion. 2022 war sie mit ihrem Kurzfilm Fulfillmenot bei den Kurzfilmtagen Oberhausen, dem Kurzfilmfestival Köln sowie auf weiteren internationalen Festivals vertreten. Ihr Abschlussfilm Everythingness feiert im Mai Premiere in Oberhausen. Mit ihren Gemälden präsentiert sie im La Felce nun ihre erste Einzelausstellung.

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Julia Jesionek

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Dumpteuse (2024), 102,5 x 142,5 cm

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Pond of You (2024), 65 x 48 cm

I have a soft spot for the uncertain, for seamless transitions, for letting feelings run wild, for daydreaming and for quieter notes. When I look at the works of Julia Jesionek I get the impression that our preferences are alike. Perhaps it is also that her paintings invite us to connect with the artist’s thoughts and feelings, so that the boundaries between affinities become blurred. One cannot quite escape from the bright colors and surreal scenes, instead the artist lures us further and further into her fantastic subjects. Thus, we become part of her art, directly experiencing the emotions of the depicted characters – those who allow themselves to do so will be rewarded with a journey through the innermost, which can ultimately give us insight into ourselves.

It hisses, sizzles and hums when the artist sets to work. As if by magic paints are atomized into tiny particles and spread across the canvas through the air pressure. Mint green lines up with indigo and pink follows red. When we look at Jesionek’s paintings, we can still hear the humming from afar. It offers us orientation in this artistic world, which is reminiscent of reality but no longer has anything in common with it. Our eyes as well feel like they are buzzing, as many of the paintings appear seen through a soft-focus lens that blurs the permeable boundaries between our reality and the artist’s inner world. Driven by curiosity, we willingly immerse ourselves into these scenes full of strong protagonists, fantastical beings and all kinds of strange objects.

Like the pigments shot onto the sheet, we find ourselves in the midst of these surreal scenes. Is this still a dream or reality? And if so, whose dream am I actually in? Perhaps the red-haired character in meandyoumories is also dreaming of me, as baffled as I am in this moment. She is lying calmly on a variety of things and resembles a princess on a pea. Keys, teapot, comb and horseshoe and bunny cup seem tailor-made for this deep slumber. Through the delicate colors and the fluffy texture of the application of paint, all the subjects appear inherently light and delicate. I too would love to take a nap there – well guarded by the by the pink snake and the dove. In my dream, I become part of this order, my own memories melting meant to be shared. The thermometer makes reality flash up for a moment – is this wonderful soft cotton world merely a fever dream? Then it would be no wonder that your head is pounding – or is that perhaps the vibrating echo that refers to the creation of the painting?

There is little time to contemplate because the gaze wanders on, to see how these wondrous stories continue to unfold. Before our eyes, the paintings develop a kind of narrative – even though the scenes do not follow a clear chronology. Through their permeability, the different subjects find their way to each other, just as Jesionek’s thoughts and emotions to mine. I empathize with the weeping faces, the large tears falling to the floor and seeming to soak the background of the painting, as in Pond of You. The impression of literally having a pond of tears in front of me is intensified by the by the materiality of the painting: instead of a canvas, a towel is needed to take in all the feelings. I feel the gentle embraces that give strength and are not just limited to human characters. In these surreal constellations, this dream world, anything seems possible – here, every emotion can be lived out in its subtlest nuance!

Given this straightforward openness, it is only logical that many of the characters in Jesionek’s works are naked or almost naked. Within, there is no room for disguise, for masquerades or poker faces. There is no reason to perform here. “To be naked is to be oneself” John Berger stated in his highly acclaimed 1972 essay “Ways of Seeing”. Skin acts as a delicate and permeable threshold to the outside world. Therefore to be naked means to be particularly vulnerable.

Conversely, being naked allows us to perceive our surroundings more profoundly, as we notice every little nuance of the wind or the temperature on our skin. Like companions, the red-haired characters accompany us through these inner worlds. Sometimes they look directly at us, other times they can only be found in the background. We are quickly inclined to identify them as self-portraits of the artist, but that would be too one-dimensional of a view. Rather, they function as alter egos: where it is difficult to be fully, completely naked, in the sense of authentic, they show what remains in the imagination. They also serve us as figures of reception whether we stand facing them or peek from behind their backs. They open up these mental spaces of situations and emotions, providing the anchor that allows us to fully immerse ourselves. Be it sad, happy, proud satisfied – like a blueprint, they demonstrate what is possible on the palette of emotions.

The artworks, which appear soft due to the painting technique, do incorporate difficult feelings as well. The red-haired character in Slow Burn gazes at us with anger and suspicion. The background, which is otherwise so often painted in bright colors, is darkened, the delicate butterflies appear startled. In the Middle Ages, burning nettles were used to ward off evil spirits and demons. It almost seems as if the protagonist has conjured them to protect herself against seemingly hostile influences. Anger and mistrust are thus given a face and indicate that we are not to come closer. What is all too often brushed over with a false smile in everyday life and dealt with internally comes to the surface here. The little silver bear in the bottom left-hand corner can be understood as an ironic refraction of what is happening. Complementary to the character, the bear smiles at us as if butter wouldn’t melt in its mouth. Just like watching cute animal videos on the internet, the sticker bear turns out to be an adequate coping mechanism for difficult feelings. At the same time, the two image levels can be flipped and understood as an invitation to allow unruly emotions and grant them space rather than ever miming the sweet-faced bear.

It is these ambivalences that constantly emerge in Jesionek’s paintings. In the form of ambiguities, false bottoms or interferences, they sometimes cause irritation, however opening up an equally broad scope for interpretation. The delicate style of the paintings is contrasted by the sometimes gloomy and serious subjects. The protagonists draw us into the story, not without at times distancing themselves from us again. The works draw from the in-between, from the ambiguous, but also from our willingness to fully engage in this interplay. And so they hum on…

Julia Jesionek, born 1998 in Gifhorn, graduated from the Academy of Media Arts Cologne in 2023. Her work in the fields of drawing, painting and animation often deals in with the themes of physicality and introspection in a playful manner. In 2022 her animated short film Fulfillmenot was screened at the Oberhausen Short Film Festival, the Cologne Short Film Festival as well as other international festivals. Her graduation film Everythingness, will be premiering in Oberhausen in May. With her paintings, she is now presenting her first solo exhibition at La Felce.

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meandyoumories (2024), 72,5 x 92,5 cm

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Slow Burn (2024), 142,5 x 102,5 cm

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Escape Goat (Detail)

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