Cycling in the Studio
Cycling in the studio
Publikation: Vierkanthof, Bismarckstraße – Cycling in the Studio
Konzept: Timo Schmidt & Heinrich Miess
Book Release: 08.06.2022, kjubh Kunstverein e.V.
Texte: Timo Schmidt, Heinrich Miess
Gefördert durch: Fonds Soziokultur, NeuStartKultur
© 2022 Künstlerinnen/Künstler und Autoren, Korridor Verlag, Gestaltung: Groba/Pérez Cantó
ISBN 978-3-9823334-4-1
Künstlerinnen und Künstler, Kuratorinnen und Kuratoren aus Köln oder der Kölner Kunstszene nahestehend, schwangen sich im Frühjahr 2022 auf ihre Räder. Sie radelten und posierten in ihren Ateliers, in Kunsträumen oder Fluren und Klassen der Akademien.
Ausgangspunkt dieser kollektiven Performance waren zwei historische Fotos: Eins mit Thomas Bernhard, das andere mit Gerhard Richter, beide auf dem Fahrrad. Bernhard fuhr 1976 im Vierkanthof Ohlsdorf/Obernathal, fotografiert von Michael Horowitz; Richter radelte in seinem Atelier im dritten Stock in der Bismarckstraße und wurde dort im Jahr 1982 von Benjamin Katz fotografiert. Durch Zufall oder übermäßige Aufmerksamkeit haben die Fotografien mit auffallend ähnlicher Haltung der beiden Künstler zusammengefunden und bildeten schließlich die Quelle für diese Aktion.
Wie Bernhard und Richter scheint der überwiegende Teil der Protagonistinnen und Protagonisten – wohl bedingt durch die räumlichen Gegebenheiten – einen Kreis gegen den Uhrzeigersinn, also linksherum, zu befahren. Die ungewohnte, fast absurde Situation, in einem Raum Fahrrad zu fahren, bringt vermutlich und eben auch sichtlich ein Lächeln auf die Lippen. Bei den abgebildeten Radfahrerinnen und Radfahrern scheint es jedenfalls so gut funktioniert zu haben, dass plausible Variationen der erwähnten normalen Kreisbewegung enstanden: Gekonnte Bewegungsabläufe mit entsprechenden Unschärfen, Fahrten gegen die Wand, Konzentration bei der Lektüre von Bernhards „Der Theatermacher“, Tanz auf dem Einrad und zahl- reiche klassische Porträts auf kleinen und großen Fahrrädern. Hier verbirgt sich auch der Kern dieser Aktion, es geht um Freude, Selbstironie und Leichtigkeit.
(…) Die Aktion vermittelt Spontanität, Witz und Leichtigkeit und erinnert an die Ursprünge und die Motivation, mit der man zur Kunst gefunden hat. Mit ein wenig Selbstironie wird die Absurdität der Arbeit und die oft doch so starren Konventionen im Kunstbetrieb hinterfragt. Die Halbkreise, die von den Fahrradfahrenden in den Fotografien angedeutet werden, setzen sich im großen Bild zu immerwährenden Runden zusammen und stehen stellvertretend für den Kreis der Ausstellungsmachenden in Köln. (…)
Dora Cohnen – Auszug, Festival-Text, AIC On 2022,