Symbole sind keineswegs neutral, sondern Träger kultureller Codierungen. All diese Ebenen klingen in Schweigerts Malerei an, doch erschöpfen sie sich nicht im Symbolischen. Vielmehr lenken sie den Blick mit Bestimmung auf etwas Transaktionales, auf eine Bezugnahme.
Denn durch die Summe der Malereien scheinen sich die Motive ihrer symbolischen Fixierung zu entziehen und sich als autonome Akteure zu präsentieren. Sie stehen jedes Mal da, stehen für sich ein und treten gleichermaßen immer wieder erneut zueinander in Beziehung. Was als Objekte unserer Projektionen verstanden werden kann, gewinnt in Schweigerts Bildern an Souveränität. Subjekt steht neben Subjekt. Es entsteht ein relationales Feld, das auf Zwischentöne und Stimmungen sensibilisiert.
Die abstrahierten Flächen, in denen Haus und Baum gesetzt werden, sind die dritte Instanz in dieser Bildkomposition. Das Dazwischen. Ein verdichteter Raum, gesättigt mit unausgesprochenen Möglichkeiten, die in der Luft zu liegen scheinen. Sie bilden keine sekundäre Landschaft im Sinne eines kulissenhaften Hintergrunds, sondern agieren als vordergründige Einheit. Nicht selbst Gestalt, aber Einordnung jeder Begegnung. Durchdringend wie das Wetter modulieren diese vibrierenden Farbfelder die Beziehung zwischen den Motiven. Mal leuchtend, mal lodernd oder von der Finsternis geschluckt. Der abstrakte Zwischenraum dieser Verhältnisse lässt sich als Atmosphäre fassen.
Die fortgesetzte Variation dieser drei Grundelemente, Haus, Baum und Atmosphäre, ist weniger Wiederholung im Sinne einer Festschreibung als vielmehr eine methodische Prüfung. Schweigerts Malprozess beruht auf einer systematischen Wiederkehr, die nicht das Identische verfestigt, sondern Differenzen hervorarbeitet. Jede Iteration erinnert sich an die vorherige, überschreibt ein Detail, verschiebt einen Akzent oder erweitert die Geschichte. Durch diese gegenseitig zitierenden Variationen entsteht ein offenes Archiv von kompositorischen Elementen, das stetig neu verhandelt wird. In jener malerischen Nuancierung beginnt das Feste sich zu lösen, beginnt zu flimmern. Wie Momentaufnahmen, die im Dunkeln auf der Netzhaut nachglühen.
Die Titel der einzelnen Arbeiten kommentieren die relationale Dynamik, die ihnen innewohnt. Zusammengesetzt bilden sie ein vierundzwanzigzeiliges Gedicht, das die Verstrickungen von Eigen- und Fremdwahrnehmung sowie von Nähe und Distanz in zwischenmenschlichen Begegnungen thematisiert. Es verweist auf jene Schwellenräume zwischen Innen und Außen, zwischen Ich und Du, in denen ein fast schmerzlicher Moment der Leiblichkeit spürbar wird.
Das Gedicht artikuliert ein Bewusstsein dafür, dass Annäherung zwar geschieht und geschehen muss, jedoch niemals zur vollständigen Verschmelzung führen kann. Sich stets im Gegenüber spiegelnd, bleibt Subjektivität relational, auch wenn sie unteilbar ist. verbunden mit / getrennt von.
Dieses Pendeln erzeugt eine Ambivalenz, die sowohl Sehnsucht als auch Melancholie hervorruft. Es lässt sich der paradoxe Kern erkennen, der in Schweigerts malerischer Untersuchung ganz tragend zum Ausdruck kommt. Diese Spannung wird zur Meditation über die Grundbedingungen des Seins.
Es tastet sich an etwas heran, das nur in immer neuen Annäherungen erfahrbar wird. Eine Beziehung ist ein ewiger Prozess im Werden, der sich nie endgültig abschließt. Baum und Haus, Haus und sein Baum werden somit zu Stellvertretern für jede Form der Begegnung, zwischen Menschen, Dingen, zwischen Bewusstsein und Welt, zwischen dem Sichtbaren und dem, was sich einer konkreten Darstellung entzieht. In Schweigerts vierundzwanzig Variationen verdichtet sich die Erkenntnis, dass Identität nur in der Relation existiert.
Das Paradox der Individualität, die sich nur durch das Andere konstituiert, wird hier zum malerischen Prinzip erhoben. Zwar alles für sich selber, aber niemals allein. Umgeben von einem Horizont geteilter Erfahrung.